In dieser Woche hat der chilenische Gerichtshof die Schließung der Mine Pascua Lama bestätigt, einer der größten Kupferminen Südamerikas. Letzte Woche sah sich Rio2 aus Umweltgründen gezwungen, den Entwicklungsplan für sein Projekt Fenix zu überarbeiten – eine Entscheidung, mit der eine Investition von 8 Milliarden $ aufs Spiel gesetzt wird und die ein weiteres negatives Signal an ausländische Investoren in Chile sendet. Der chilenische Peso hat innerhalb von wenigen Tagen fast 20 % gegenüber dem US-Dollar nachgegeben. Der Markt rechnet damit, dass Chile ohne das Potential seiner Bergbauindustrie nicht genügend Kapital anziehen kann, um die Wirtschaft des Landes wieder in Schwung zu bringen.

Ohne ausländische Investitionen läuft der Rest der Welt Gefahr, schon bald auf chilenische Kupferreserven verzichten zu müssen, und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Kupferbestände schneller versiegen denn je. In China sind die Kupferreserven bereits auf ein saisonal außergewöhnlich niedriges Niveau gesunken. 2022 wurden sie nicht in ausreichendem Umfang wieder aufgestockt, sodass die Lage heute eine ganz andere ist als in den vorangegangenen Jahren.

 

 

Kupfer ist ein unentbehrlicher Rohstoff für die elektrifizierte Welt. Wir brauchen Kupfer – sehr viel Kupfer – um die Energiewende erfolgreich voranzutreiben. Die folgende Grafik illustriert in kg/MW, welche Mengen an Rohstoffen und insbesondere an Kupfer bei der Erzeugung von Energie aus erneuerbaren und anderen Quellen benötigt werden.

 

 

Eine solche Analyse der Bestände und der verringerten Produktionskapazitäten an den Kupfermärkten sollte ausreichen, um die Investoren auf der Käuferseite zu platzieren.

Dennoch geschieht genau das Gegenteil. Die Spekulanten am Terminmarkt halten heute wieder eine ebenso große Menge an Short-Positionen auf Kupfer wie beim Kurseinbruch im März 2020, zu Beginn der Corona-Krise.

 

 

Die Spekulanten rechnen damit, dass die chinesischen Konjunkturprogramme nicht ausreichen, um den kommenden Nachfragerückgang abzufedern. Das Stimulierungsprogramm in Höhe von 100 Milliarden $ wird nicht genügen, um die sinkende private Nachfrage im Immobiliensektor auszugleichen. In den Augen dieser Investoren stehen wir einige Wochen vor einem entscheidenden Ereignis im chinesischen Bankensektor: Die Insolvenzwelle infolge der platzenden Immobilienblase bringt die Anleger dazu, auf einen Einbruch der Kupfernachfrage in China zu wetten.

Die Spekulanten hatten einen ausgeprägten Einfluss auf den Kupferpreis, der in einer Korrektur, welche sowohl hinsichtlich ihrer Geschwindigkeit als auch ihres Umfangs nach als historisch eingestuft werden kann, fast 30 % abgestürzt ist. Der Kupferkurs ist in nur wenigen Wochen zur Unterstützungslinie zurückgekehrt, die er bei seinem Ausbruch Ende letzten Jahres nach oben durchbrochen hatte:

 

 

Die Baisse der Kupfer- und anderen Metallpreise wurde in der Presse umfassend kommentiert. Bloomberg ging beispielsweise letzte Woche auf die düsteren Aussichten in China, aber auch in den westlichen Staaten ein, wo eine Rezession nach Ansicht einer wachsenden Zahl von Marktbeobachtern in den kommenden Quartalen das wahrscheinlichste Szenario ist.

Die Bank of America erwartet mittlerweile vier aufeinanderfolgende Quartale mit negativem Wachstum (d. h. mit einem Rückgang des inflationsbereinigten BIP). Die Bank prognostiziert also ein gesamtes Jahr mit ungenügendem Wachstum im Verhältnis zur Inflation, was in diesem Zeitraum zu einer allgemeinen Verarmung führen würde.

In den USA sorgt die jüngste Zinsanhebung außerdem für eine regelrechte Explosion des mittleren monatlichen Rückzahlungsbetrags für Immobilienkredite auf fast 1.800 $, was einem Plus von 85 % seit Anfang 2020 entspricht. Unter diesen Bedingungen ist ein starkes Comeback der amerikanischen Konsumnachfrage schwer vorstellbar.

Gleichzeitig knabbert die Inflation am Niveau der Reallöhne, das infolgedessen auf einen neuen historischen Tiefstwert fällt:

 

 

Die Schuldenlast und die Auswirkungen der Inflation, die die Reallöhne sinken lässt, sind die Grundzutaten einer wirtschaftlichen Abkühlung, die mittlerweile von immer mehr Ökonomen vorhergesagt wird.

In Europa verstärkt die Energiekrise das Risiko einer Stagflation zusätzlich.

Seit einigen Tagen ist das Augenmerk auf die Situation in Frankreich gerichtet, wo der Strompreis neue Rekorde erreicht und sogar die exorbitanten Preise der Nachbarländer in den Schatten stellt.

 

 

Dieser explosive Anstieg ist durch die Energiekrise in Europa bedingt, aber auch durch die Abschaltung der Hälfte der französischen Atomkraftwerke zu Wartungszwecken und als Vorsichtsmaßnahme während der aktuellen Hitzewelle.

Dieses Preisniveau kündigt ein katastrophales Jahresende für die französische Industrie an. Nach Deutschland wird nun also auch Frankreich zum Sorgenkind. Europa sieht sich mit einem hohen Rezessionsrisiko konfrontiert, das vom exponentiellen Anstieg der Energiekosten zusätzlich verstärkt wird.

Unter diesen Bedingungen erstaunt es nicht, dass wir an den Märkten eine erhöhte Zahl an spekulativen Short-Positionen sehen. Die ETFs, die auf Finanzprodukten basieren, welche auf Kursrückgänge wetten, haben einen Rekordzufluss von fast 10 Milliarden $ verbucht.

 

 

Die trüben Wachstumsaussichten und die Wetten auf einen Rückgang an den Märkten sind der Grund für die Abkehr der Investoren von den Rohstoffen. Man hört oft, dass „Doctor Copper“ ein Frühindikator für die weltweite Wirtschaftsaktivität sei. Sollte das heute noch zutreffen, wäre die starke Korrektur des Kupferpreises ein Signal für eine unmittelbar bevorstehende, heftige Rezession.

Auch wenn makroökonomische Faktoren die Metallpreise entscheidend beeinflussen, fällt auf, dass Bestandsanalysen und die Bergbauaktivität von den Marktteilnehmern bei ihrer Positionierung aktuell überhaupt nicht berücksichtigt werden.

Vor diesem Hintergrund korrigierten die Edelmetallkurse in den letzten Wochen nach unten. Und je bedeutender die industrielle Komponente eines Edelmetalls ist, desto stärker war es von der Abwärtsbewegung betroffen. Silber hatte unter der Korrektur folglich viel mehr zu leiden als Gold.

Das Gold-Silber-Verhältnis ist erneut auf über 90 gestiegen, ein Niveau, das nur während der Krise im März 2020 erreicht wurde.

 

 

Der Dollar hat gegenüber den anderen Währungen unterdessen ein Allzeithoch erreicht. Der Index DXY hat einen Rekord verzeichnet und der Rücksetzer, der nun vor einigen Handelstagen begonnen hat, muss im Wochenchart erst noch bestätigt werden.

 

 

Eine Verlangsamung der Dollar-Hausse, die überverkaufte Situation an den Metallmärkten und die umfangreichen Short-Positionen sollten eine Pause in der Abwärtskorrektur des Edelmetallsektors bedeuten. Damit es zu einer echten Erholung kommt, muss der Markt jedoch seine Fokussierung auf rein makroökonomische Faktoren beenden und auch die physische Verfügbarkeit der Metallbestände berücksichtigen. Die Marktteilnehmer werden sich der Lage zwangsläufig bewusst werden, denn die Bestände sind nicht unerschöpflich, vor allem nicht beim aktuellen Preisniveau. Gold und vor allem der Silberpreis könnten davon plötzlich in die Höhe katapultiert werden.

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